19.02.2013 14:43

Rückenschmerzen & Mythos Reiten im Zusammenhang

Mittlerweile propagieren Gott sei dank auch Ärzte, dass sich Reiten positiv auf Rückenschmerzen auswirken kann. Wenn auch nicht alle, aber doch ein Großteil der Ärzte hat bereits wahrgenommen, dass Reiten eine gute Form der Lendenmobilisation, -kräftigung und -stabilisation darstellen kann. Aber warum klagen doch noch immer wieder Reiter über Rückenschmerzen insbesondere NACH dem Reiten? Mit dieser Frage beschäftigt sich Christiane Desaive, Diplom Sportwissenschaftlerin und Rückenschullehrerin für Kinder und Erwachsene, beruflich intensiv. Über das erste Seminar „Rückenschmerzen & Mythos Reiten“ , das Anfang dieses Jahres stattfand, gibt sie hier eine Zusammenfassung Ihrer Erkenntnisse und gibt einen Ausblick auf weitere Aktivitäten 2013.
Sportwissenschaftlich gesehen kann es relativ gut beantwortet werden, wenn es sich um das klassische Bild des „einmal in der Woche 60 Minuten „Durchhalten“ auf dem Pferd in der Halle handelt“. Der Körper und seine Band- und Muskelstrukturen sind für diese einmalige Belastung in der Woche überhaupt nicht vorbereitet und somit völlig überlastet und überfordert. Aber dies ist natürlich nicht immer der Fall – somit habe ich es mir zur Aufgabe gemacht den Rücken und menschlichen Körper zu erklären, Funktionsweisen sportwissenschaftlich darzustellen und wichtige Bereiche zur Kontrolle und Rückengesundheit für den Reiter zu erklären und zu üben.
Nach dem ersten Seminar im Januar 2013 anbei ein Feedback einer Kursteilnehmerin. Frau Dorothee U., Diplom Psychologin/ Psychotherapeutin, 58 Jahre alt. Frau U. kam zu mir und leidet seit langer Zeit an Problemen mit dem Iliosakralgelenk (seitlich unterhalb der Lendenwirbelsäule) sowie an Schmerzen in der Lendenwirbelsäule beim Reiten. Diese Probleme könnten zwar, nach eigener Aussage, durch eine Schonhaltung aufgrund einer Hüftarthrose ausgelöst sein, vermehren sich aber beim Reiten gravierend. Zur Zeit kann Frau U. nur noch ca. 10 Minuten auf dem Pferd sitzen, und die Regenerationszeit im Anschluss wird immer länger. Um aus diesem Schmerzkreislauf heraus zu kommen, nahm sie bisher Krankengymnastik, Osteopathie, Feldenkrais, Yoga und Akupunktur zur Verbesserung ihrer Symptomatik als Therapie in Anspruch. „Aber das Einzige, das bislang eine wirklich spürbare Entlastung brachte, waren Massagen, allerdings hielt die Wirkung höchstens einen Tag an.“, so sagt Frau U.
Zur Frage: Die Inhalte des Seminars haben mir weiter geholfen/nicht weiter geholfen, antwortet Frau Dorothee U. „Die Inhalte des Seminars „Rückenschmerzen & Mythos Reiten“ haben mir zum einen schon geholfen, da ich viel gelernt habe über Schmerzkreisläufe, über die Wirbelsäule, über verschiedene Arten von Muskeln, über Trainingsabläufe, über Übungen zur Vorbereitung und zur Umsetzung auf dem Pferd und über Übungen, die ich in den Alltag (z.B. am Schreibtisch) integrieren kann. Und vermutlich habe ich jetzt noch vieles vergessen zu erwähnen. Und vor allem: Ich habe gelernt, meine Wirbelsäule und die dazugehörigen Muskeln neu bzw. überhaupt wahrzunehmen, z.B. die neutrale Beckenhaltung und die stabilisierenden kleinen Muskeln an der Wirbelsäule. Das hilft mir schon bei längeren Spaziergängen mit dem Hund: Gerade komme ich wieder von einem solchen Spaziergang, und ich habe jetzt weniger Schmerzen als noch vorhin!“
Eine solche Antwort hört man als Seminarleiter natürlich sehr gerne – die Umsetzung und Schmerzlinderung lebt schließlich vom eigenständigen Ausprobieren und von den eigenen Erfahrungen im Anschluss. Denn Rückengesundheit muss im Alltag Einzug finden – nicht nur auf dem Pferderücken. Aber wie sieht es mit den Erfahrungen zwischen den Seminareinheiten auf dem Pferd aus, das eigenständige Ausprobieren? „Eine kurze erste Erfahrung auf dem Pferd mit dem leichten Sitz war zwar ungewohnt und unsicher, hat aber meinem Rücken - und dem Pferd! - schon sehr zugesagt! Das stärkt die Motivation zum Weitermachen.“ Prima – auch hier soll mit dem Trainer gemeinsam ausprobiert werden. Nicht für jeden sind die gleichen Bügellängen und die aktive Vorneige von Anfang an geeignet, da die körperlichen Strukturen (wie Muskulatur und Sehnen, Bänder) einer solchen sehr anstrengenden aber toll trainierenden Reithaltung nicht standhalten können. Daher ist es mir persönlich wichtig, dass sich jeder subjektiv bemessen kann in:
• Anstrengung (anhand der Borg-Skala)
• Stabilität
• Sicherheit auf dem Pferd
Und auch Dressurreiter brauchen keine Sorge haben, Rückentraining auf dem Pferd bedeutet nicht permanent im aktiven leichten Sitz zu reiten, sondern viel mehr dies im Wechseln zu integrieren. Der Rücken lebt vom Wechseln und Dynamik. Und auch das Pferd freut sich meist über einen Wechsel, der auch den Rücken während einer Reitstunde vermehrt entlastet.
Zur Frage: Ich hatte mir erhofft Folgendes zu erfahren, antwortetet Frau U. „Ich erhoffte mir in einer Mischung aus Theorie und Praxis einen Weg gezeigt zu bekommen, den ich selbstständig zu Hause und auf dem Pferd gehen kann. Diese Erwartung wurde wirklich voll erfüllt.“ Und zu der „persönlichen„Kritik“ ergänzt sie noch: „ Dein fundiertes Wissen (soweit ich das überhaupt beurteilen kann als Laie auf diesem Gebiet) und Deine Fähigkeit, auf die Fragen, Bedürfnisse und manchmal auch unausgesprochenen Wünsche der Seminarteilnehmerinnen einzugehen und eine sehr entspannte und angenehme Atmosphäre zu schaffen, haben die beiden Workshops zu einer rundum schönen Erfahrung werden lassen. Dazu beigetragen hat auch der schöne Raum und der liebevoll gestaltete Imbiss. Eine gute Methode war die „Hausaufgabe“ zwischen den beiden Terminen und eine Auswertung von deren Videoaufzeichnung. Dir also nochmals herzlichen Dank, auch dafür, dass Du Dein Programm nur für uns beide angeboten hast!“
Zur Frage: Das würde ich verändern zum nächsten Mal, sagte Frau U.  „So, wie es war, war es gut. Sicher ist es sinnvoll in Abständen eine Auffrischung oder Korrektur/Weiterentwicklung des Prozesses mit Dir zu machen. Aber die Möglichkeit besteht ja auch. Ein zeitlich länger geplanter Workshop mit eingestreuten Übungen auf dem Pferd wäre natürlich auch klasse. "
Und das muss ich selbst als Kritik aufnehmen – denn es ist auch für mich sehr schade, dass ich bei den Umsetzungsversuchen selbst nicht dabei sein kann. Aber derzeit plane ich mit einem Brandenburger Reitstall ein „vollständiges“ Seminar im September 2013 mit Pferden und gemeinsamer Umsetzung. Zudem möchten wir versuchen dies von den Krankenkassen bezuschusst zu bekommen. Denn dieses Seminar beinhaltet alle wichtigen Bausteine einer Rückenschule (Präventionskurs der Krankenkassen nach §20 SGB V), nur auf Grund der Umstände zeitlich etwas „gerafft“ auf 1-2 Wochenenden. Vielen lieben Dank an meine ersten „Versuchskaninchen“ und ich freue mich auf weitere interessante Kurse und Seminare und bei Fragen wenden Sie sich gerne an mich persönlich: info@natuerlich-bewegung.de oder rufen an 030 – 499 13 977 (gerne eine Nachricht auf dem AB hinterlassen, da ich oft in Kursen bin).
Text + Fotos: Christiane Desaive
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Christiane Desaive