12.04.2017 23:03

Reiten in der Schule - in Neustadt/Dosse wird ein Traum wahr

Für Kinder, meist Mädchen, in einem bestimmten Alter ist das Pferd Kuscheltier, bester Freund und Sportpartner in einem. Nicht erst seit den neuen „Bibi und Tina“-Filmen ist das Reiten bei Kindern beliebt. Natürlich müssen die Eltern, wie bei jedem Hobby oder Sportart, die Kinder dabei mit Geld unterstützen und Zeit investieren.
„Ich möchte später etwas mit Pferden machen ...!“ Das ist der Traum vieler Kinder und Jugendlicher. Damit meinen sie zwar ihren Berufswunsch, aber bis sie diesen erreichen, verbringen sie aber noch etliche Jahre in der schulischen Ausbildung. Meist werden in der Freizeit Reitschulen besucht oder Reiterferienangebote in den Urlaubszeiten genutzt. Seit über 20 Jahren setzt sich die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) dafür ein, dass Reiten in den Schulalltag integriert wird. Rund 1.800 Schulen und Kindergärten sind dem FN-Arbeitskreis Schulsport bekannt, die bundesweit eine Kooperation mit Pferdesportvereinen oder Pferdebetrieben eingegangen sind um den Reitsport in das Angebot der Schule zu integrieren.
Qualifizierte Reitausbildung und Schule miteinander zu verbinden, ist im brandenburgischen Neustadt (Dosse) nun schon seit über zehn Jahre möglich. Das Projekt "Reiten in der Schule" ist einzigartig in Deutschland, hier wird für viele Schüler ein Traum Wirklichkeit - Reiten als benotetes Unterrichtsfach. Kooperationspartner der Prinz-von-Homburg-Schule, sind das brandenburgische Amt Neustadt (Dosse), das sowohl Träger der Schule als auch des Reitinternats Mühle Spiegelberg ist, das Brandenburgische Haupt- und Landgestüt, der Landesverband Pferdesport Berlin-Brandenburg (LPBB) und das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg.
Im September 2005 wurde der erste Genehmigungsbescheid für das Wahlpflichtfach Reiten erteilt. Seit 2009 fungiert die Neustädter Schule nunmehr als "Schule besonderer Prägung" und kann neben dem Wahlpflichtfach eine spezielle Begabungsförderung im Reitsport anbieten. In den Spezialklassen werden besonders leistungsfähige und begabte Schülerinnen und Schüler gezielt in der Sportart Reiten gefördert. Während des vierjährigen Förderprogrammes – von der 7. bis zur 10. Jahrgangsstufe – erhalten die jungen Reiterinnen und Reiter eine umfassende Grundlagenausbildung in Theorie und Praxis. Die turniersportliche Ausrichtung und die Hinführung zum Leistungssport sind das angestrebte Ziel in den Spezialklassen. Daher benötigen die Schüler spätestens ab Jahrgangsstufe 9 mindestens ein eigenes Pferd für den Unterricht und die Turnierteilnahme in den Klassen L und M.
Das Training der Spezialklassen findet auf den Anlagen der Stiftung Brandenburgisches Haupt- und Landgestüt in Neustadt (Dosse) statt. Sieben eigens für den Pferdesport ausgebildete Lehrer der Schule kümmern sich ausschließlich um den Reiternachwuchs. Dazu kommen drei Trainer vom Gestüt. Ab der Jahrgangsstufe 11 ist Reitsport kein eigenes Fach mehr, sondern ein Bewegungsfeld im Fach Sport. Für eine weiterführende Begabungsförderung Reitsport in der Oberstufe muss die Empfehlung des Landesverbandes Pferdesport vorliegen.
Wer Schüler der Spezialklasse in der siebenten Jahrgangsstufe werden will, muss eine sportmedizinische Unbedenklichkeitserklärung durch die Hochschulambulanz der Universität Potsdam vorlegen, einen sportbezogenen Eignungstest mit allgemein-athletischen Übungen bestehen und auch die Prüfer beim Reiten einer Aufgabe mit Dressur-und Springelementen in Anlehnung an den Caprilli-Test überzeugen. Ältere Quereinsteiger müssen zusätzlich zur Dressur einen kompletten Parcours absolvieren. Maximal 24 Schüler und Schülerinnen werden jedes Jahr für eine Spezialklasse Reiten angenommen. Insgesamt ist das Leistungsniveau der Bewerber im Laufe der Jahre gestiegen.
Die oftmals größte Herausforderung für viele Kinder ist der Umzug nach Neustadt (Dosse) ins Internat. Das Leben im Internat ist speziell. Für die heutige Jugend ist Hogwarts, die Schule für Hexerei und Zauberei, das wohl berühmteste Internat, die Älteren kennen noch die Buchserie Hanni und Nanni, die legendären Zwillinge im Internat Lindenhof.
Internatsleben ist anfangs wie andauernd bei Freunden übernachten oder auch ein bisschen wie Klassenausflug. Die Eltern sieht man meistens nur am Wochenende oder in den Ferien. Manche Bewohner haben ständig Heimweh, andere wollen nie wieder weg. Heimweh ist häufig der Grund für einen Abbruch des Aufenthalts im Internat. Manche Schüler merken, dass sie das straffe Tagesprogramm des Internatslebens und die Leistungserwartungen doch nicht erfüllen können oder möchten. Die Prinz-von-Homburg-Schule bietet im Vorfeld eine Art Probewoche an, in der die künftigen Schüler das Leben im Internat kennenlernen können.
Gleich zwei Internate, mit unterschiedlichen Wohnmöglichkeiten, stehen in Neustadt (Dosse) den Schülern zur Verfügung. Das historische Mühlengebäude aus rotem Backstein, das heutige „Reitinternat Mühle Spiegelberg“, ist das höchste Gebäude am Spiegelberg und schon von weitem sichtbar. Es wurde im Jahr 2009 grundsaniert, modern und jugendgerecht gestaltet. Seit dem Schuljahr 2010/2011 stehen vorwiegend für die Schüler der Prinz von Homburg-Schule hier 75 Plätze auf vier Etagen zur Verfügung. Im 1. und 2. Obergeschoss befinden sich Zweibettzimmer, in der 3. und 4. Etage geräumige Maisonette-Zimmer, in denen auch drei bis vier Jugendliche eine Wohngemeinschaft bilden können. Die Raumaufteilung der einzelnen Zimmer ist individuell, alle Zimmer sind mit Internetzugang ausgestattet. Jede Etage verfügt über mehrere Bäder mit Duschkabinen, je einem Wannenbad und separaten Toiletten gegenüber den Zimmern. Catering Engelbrecht versorgt die Bewohner mit umfangreichem Frühstücks- und Abendbuffet, sowie frisch gekochtem Mittagessen. Vielfältige Aktivitäten wie gemeinsame Spiele, Basteln, Radtouren, Bowlen, Märchen- und Leseabende, gemeinsames Kochen und Backen und vieles mehr runden das Freizeitprogramm des Internats ab. Das „Mühlenfest“ auf der Anlage des Internats findet jährlich vor Beginn der Sommerferien für Bewohner, deren Eltern und Freunde, Gäste und Anwohner aus Neustadt (Dosse) statt und wird gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen geplant und organisiert. Neun pädagogische Fach- und acht Servicekräfte sorgen für den reibungslosen Ablauf im Alltag. Die Leitung des Hauses teilen sich Constanze Voigt - Kaufmännische Leitung - und Esther Gloger - Pädagogische Leitung. Träger ist das Amt Neustadt (Dosse).
Das „Schloss Spiegelberg“ wurde 1700 als Wohnhaus für den damaligen Spiegelfabrikanten gebaut und wird seit 2002 als Internat für Schüler der Prinz-von-Homburg-Gesamtschule genutzt. Das Internat befindet sich in Trägerschaft einer Elterninitiative, die volles Mitsprache- und Mitgestaltungsrecht hat, und wird als gemeinnützige GmbH geführt. Im Haupthaus und Seitenflügel stehen 29 Wohnheimplätze in 16 Appartements und Zimmern zur Verfügung. Die Zimmer sind als Zwei-Bett- und Einzelzimmer gestaltet und jede Wohneinheit ist mit eigenem Bad (WC/Dusche) ausgestattet. Für Eltern und Freunde stehen drei Doppelzimmer und zwei Einzelzimmer als Gästezimmer zur Verfügung. Der Gartensaal wird zur Nutzung für Feierlichkeiten in gehobenem Ambiente zzgl. Ausstattung und Deko. Das Frühstücksbuffet sowie das Mittag- und Abendessen wird immer im eigenen Haus frisch, mit hochwertigen Zutaten zubereitet. Ausflüge in die Tierfilmschule, Bowling, Lese- und Filmabende, Koch- und Backveranstaltungen sowie vielfältige Projekte sorgen dafür, dass nie Langeweile aufkommt. “Unser Ziel ist es, das Wohnheim für die Kinder und Jugendlichen so familiär wie möglich werden zu lassen. Die Kinder und Jugendlichen bewegen sich zwischen dem Vertrauen, das ihnen vom Erzieherteam entgegen gebracht wird und den Regeln, die das Wohnheim für das Leben in der Gemeinschaft vorgibt”, so die Erklärung von Rita Borchert, die zusammen mit Susanne Weiffenbach-Preiß die Leitung des Internats übernommen hat. Zur Sicherung des zukünftigen Internatsbetriebs gibt es derzeit Verhandlungen über den Kauf der Immobilie. Der derzeitige Eigentümer Wolfgang Zühlke plant, das denkmalgeschützte Haus zu verkaufen, da er sich vom Immobilienmarkt zurückziehen will.
Vergleichend kann man zusammenfassen, dass sich das Angebot des "Schlosses Spiegelberg" eher für Kinder, die eine familiäre Umgebung und mehr Privatsphäre als im normalen Internatsleben benötigen, eignet. Wer nicht gerne alleine ist und gemeinschaftliches Zusammenleben, auch in der Zimmerbelegung, bevorzugt, fühlt sich sicher im „Reitinternat Mühle Spiegelberg“ gut aufgehoben. Trotz einer gewissen Wettbewerbssituation untereinander, ist der Kontakt und die Kommunikation der Internatsleitungen miteinander sehr gut und immer konstruktiv im Sinne der Schüler. Ein gemeinsames Projekt ist das jährliche Turnier, das im Dezember 2017 zum dritten Mal geplant ist und zusammen organisiert wird.
Peter Fröhlich, Geschäftsführer des LPBB: „Die Kombination von Internat, Schule und Gestüt ist schon einzigartig in Deutschland. Die Kinder werden von der Pike auf vorbereitet auf den Turniersport. Sie erfahren eine ganzheitliche Ausbildung von Theorie und Praxis und werden sportmedizinisch und sportpsychologisch betreut, wie es im Leistungssport üblich ist. Sie können den Trainerschein machen und bringen besonders für den Beruf des Pferdewirtes das komplette Wissen schon mit.“ Martina Schünemann, schon früh in der Jugendleitung des LPBB engagiert und nun Vizepräsidentin und Schulsportbeauftragte, zu Ihrem Engagement für das "Reiten in der Schule": "Ich betreue das Projekt seit 1995 und bin überzeugt von seinem Potential zur Talententwicklung im Pferdesport. Gemeinsam mit unserem Ehrenpräsidenten Herrn Prof. Dr. Danckert haben wir hier viel Gutes auf den Weg gebracht. Die Lehrertrainer arbeiten sehr engagiert und sind eng an den Schülerinnen und Schülern. Ich wünsche mir für die Zukunft noch mehr Engagement der FN für unser Projekt. Das Ziel für die Prinz-von –Homburg –GOS ist der Status einer Eliteschule des Sports. Vergleichbar mit denen in Potsdam, Frankfurt/O oder Cottbus. Dafür setze ich mich ein." Reiten in der Schule, die Kombination von Hobby und Ausbildung mit Zukunftschancen für ein Berufsleben mit Pferden.
Text: Marietta Grade Foto: Privat