01.09.2015 21:45

Reitausbildung heute - Über das Trainer-Sein und das Trainer-Werden

In die Trainer-Rolle zu schlüpfen ist für viele mehr als eine Selbstverständlichkeit. Es ist eine Passion. Henning Müller, Trainer der Landesreit- und Fahrschule in Neustadt (Dosse), Hauptsattelmeister und Ausbildungsleiter Reiten macht jungen Menschen Mut: „Wer seine Freude am Unterrichten entdeckt, sollte diesen Pfad unbedingt weiter verfolgen und entsprechende Qualifizierungen anstreben. Je jünger die Trainerkarriere startet, desto länger befindet man sich in einem persönlichen Entwicklungsprozess, denn dieser dauert ein Leben lang.“ Sechs Schülerinnen der Spezialklassen Reiten haben sich im Juli der Trainer C Ausbildung gestellt. Fünf von ihnen bestanden sogar mit Auszeichnung und werden mit der Lütke Westhues-Auszeichnung für Amateurtrainer geehrt. „Unser Sport lebt davon, dass Wissen von einer Person zur anderen, von einer Generation zur anderen weitergegeben wird“, fährt Müller fort. „Die Trainer-C Ausbildung ist die Basis für eine Trainerkarriere. Sie ist wie ein Test, ob eine Trainertätigkeit das Richtige ist und bietet gleichzeitig alle Grundlagen für den weiteren Weg. Unabhängig von leistungssportlicher oder breitensportlicher Ausrichtung ist uns hier jeder willkommen.“

Doch welche Aufgaben warten auf junge Trainer heute? Wie hat sich der Reitunterricht über die Jahre verändert? Henning Müller berichtet aus langjähriger Erfahrung: „Der Reitunterricht von „früher“ beruhte hauptsächlich auf Anweisungen. Anweisungen wurden vom Trainer erteilt und von den Schülern ausgeführt. Der moderne Unterricht ist handlungsorientiert und regt die Schüler zum Mitdenken an. Das ist wichtig und gewollt.“ Beate Altenkirch, Bewegungstrainerin nach Eckart Meyners, Pferdewirtschaftsmeisterin und Richterin stimmt Müller zu und ergänzt: „Moderner Reitunterricht setzt den Fokus auf das Lernen durch Bewegung. Es ist ein Lernen durch Ausprobieren, um richtig und falsch selbst erfühlen zu lernen. Dabei gibt es keine Fehler. Dies ist eine große Entwicklung zu früher. Zu Beginn meiner Reitausbildung musste alles sofort funktionieren. Es gab ein Idealbild – dieses galt es zu erfüllen. Das ist heute zum Glück anders. Dann missglückt die Vorhandwendung eben mal, aber daraus haben meine Schüler die Möglichkeit zu erfühlen: Das ist nicht richtig. Die Schüler spüren den Unterschied zwischen richtig und falsch und entwickeln somit ein tieferes Verständnis für ihr eigenes Handeln auf und mit dem Pferd.“ Eine weitere wichtige Entwicklung für Henning Müller: „Heute wird mehr hinterfragt. Medien wie das Internet bieten eine Fülle an Informationen zu Ausbildungsthemen. Dies erleichtert es Reitern Unterrichtsmethoden und –Inhalte zu bewerten. Nicht nur Sportreiter, auch der stetig wachsende Anteil an Freizeitreitern verlangen guten Unterricht. Diesen Ansprüchen muss ein moderner Ausbilder gerecht werden. Somit unterstützt er die Entwicklung von selbstständig denkenden und wissbegierigen Pferdemenschen – das ist gut.“ Eine zusätzliche Aufgabe von Nachwuchstrainern sieht Müller vor allem bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Es ist die Vermittlung von Werten rund um das Tier „Pferd“. „Ein natürliches Verständnis für das Lebewesen mit dem die Kinder in unserem Sport zu tun haben, ist vielen von ihnen nicht mehr gegeben. Also muss dieses Verständnis erst aufgebaut und vermittelt werden. Meine Generation ist auf dem Bauernhof groß geworden. Der Umgang mit Tieren war für uns etwas Normales. Wir haben erlebt wie Leben entsteht und wie es endet. Die gesamte Wissens-Palette über Geburt, Aufzucht und Haltung durften wir miterleben. Diese Kenntnisse gilt es heute als extra „Angebot neben dem Reiten“ zu vermitteln. Nicht weil die Leute nicht interessiert sind, sondern weil sie ganz einfach nicht mehr die Chance haben diese Palette von Haus aus mitzubekommen. Die neuen Prüfungen zur Gelassenheit und zur Bodenarbeit sind demnach nicht zu belächeln, sondern sehr wichtig. Sie sind die Basis für alles Weitere, denn sie schaffen Sicherheit und Vertrauen“, so Müllers Begründung.
Für alle Nachwuchstrainer verrät Beate Altenkirch ihre persönliche Tipps für erfolgreiches Unterrichten: „Als Bewegungstrainerin steht für mich an erster Stelle sich selbst fit zu halten, um das Pferd losgelassen gymnastizieren zu können. Im Unterricht finde ich es sehr wichtig die Reiter immer dort abzuholen wo sie grade stehen. Man muss die Sprache der Schüler sprechen, um eine individuelle Betreuung von Reiter und Pferd bieten zu können. Wo meine Schüler stehen erfahre ich am besten, wenn ich sie in den Unterricht einbeziehe. Das bedeutet zum Beispiel, die Lösungsphase zunächst selbst gestalten zu lassen. Im Anschluss wird reflektiert: Warum habe ich das so gemacht? Was war gut? Was kann ich verbessern? Dabei sollte der Trainer stets betonen, dass es nicht schlimm ist wenn etwas nicht gleich gelingt – es dürfen Fehler gemacht werden. Grundsätzliche Sachen, wie ein losgelassener und unabhängiger Sitz stehen für mich dabei an oberster Stelle. Augenscheinliche Fehler sind zunächst zweitrangig. Durch die ganzheitliche Arbeit am Sitz werden Folgefehler, wie ein klopfender Schenkel, in der Regel „automatisch“ mit korrigiert. Hierfür ist außerdem eine vielseitige Ausbildung von Reiter und Pferd wichtig. Sind die Reitschüler gefragt ihr Gleichgewicht in immer wieder neuen Situationen zu finden, entwickeln sie dabei einen unabhängigen und losgelassenen Grundsitz, der elementar für die weitere Ausbildung ist. Beispiele sind das Reiten mit verkürzten Bügeln, das Reiten über kleine Hindernisse, das Reiten im Gelände, sowie das Reiten verschiedener Pferde. Abschließend sind sich die beiden Profis einig. Egal ob als Reiter oder als Trainer, besser wird man nur, wenn man sich immer wieder selber hinterfragt und weiter lernen möchte. „Auch erfahrene Ausbilder bilden sich regelmäßig fort“, so Müller. „Die Fortbildungsangebote heutzutage sind so vielseitig, dass jeder immer etwas Passendes für sich finden kann.“
Foto: C. Büchling Text und Interview: Lisa Bolte, LPBB