01.07.2014 21:09

LPBB: Trainieren mit Köpfchen – Herausforderungen positiv angehen

Die mentale Einstimmung auf einen wichtigen Wettkampf ist für Profisportler so selbstverständlich, wie die körperliche Vorbereitung. Es ist eine zusätzliche Trainingskomponente, die gute Leistungen noch toppen, oder Blockaden lösen kann. Dabei geht es nicht um Therapie, sondern um Leistungsoptimierung. Derzeit wird Mentales Training in viele Sportarten integriert, oder ist bereits fest verankert. Was sich hinter der Thematik „Sportpsychologie“ genau verbirgt, erläuterte am 2. Juni Anne Oppen (M. Sc. Sportpsychologie und Trainerin-A/Leistungssport) bei einem Seminar für Kader, Trainer und Eltern im Reiterhaus Berlin.
„Als oberstes Ziel steht in der Regel die Optimierung der Wettkampfleistung“, so Oppen. „Natürlich soll und kann eine mentale Vorbereitung das normale Reittraining nicht ersetzen. Es sind zwei verschiedene Trainingsaspekte, die sich ergänzen und bedingen. Reiter und Pferd können somit einen neuen Leistungslevel erreichen.“
Nach einer Vorstellungsrunde waren die Erwartungen an das Seminar klar. Die Reiter wünschten sich Ratschläge zur Bekämpfung von Nervosität auf dem Turnier und die Trainer hofften auf eine Art Leitfaden, wie sie ihre Schüler in genau solchen Situationen unterstützen können. Hierfür hatte die Referentin bereits erste Tipps für die Praxis parat. Ein Patentrezept gäbe es nicht und dennoch berichten die Sportler häufig bereits nach nur einem Treffen von deutlichen Veränderungen. „Jeder Reiter tickt anders“, erklärt Oppen weiter, „deshalb gilt es mit dem Sportler gemeinsam herauszufinden, welche Methoden ihm am besten liegen, damit effektiv gearbeitet werden kann.“ So besteht beispielsweise die Methode, „die Schatztruhe“, darin, sich im richtigen Moment die eigenen Stärken und bereits erzielte Erfolge genau vor Augen zu führen. So mag es dem einen genügen sich die letzte Siegerehrung gedanklich in Erinnerung zu rufen, eine andere wiederum wird sich vor dem Turnier ihre erfolgreichsten Ritte auf Video ansehen. Sich auf das hier und jetzt, auf das eigene Können, auf die nächste Lektion und nicht auf die Konkurrenz, oder den zu erlangenden Titel zu konzentrieren, dies sei das A und O und gleichzeitig eine schwere Aufgabe, die geübt sein will. Im Idealfall ist ein Reiter in der Lage sich im Kopf ein Drehbuch der bevorstehenden Aufgabe zu schreiben, das nicht nur die einzelnen Lektionen bzw. Sprünge beinhaltet, sondern seine Emotionen und Handlungen währenddessen. Auf welchem Wege gelange ich optimal zum nächsten Sprung? Welche Hilfen gebe ich vor der Kombination? Was empfinde ich, wenn mein Pferd zu heftig wird und wie reagiere ich? Wie leite ich das Kurz kehrt ein? Training im Kopf schafft Sicherheit. Der Reiter kann zur Turniervorbereitung unter anderem alle denkbaren Szenarien und Problemsituationen im Kopf durchspielen und Lösungen dafür erarbeiten, um im „Ernstfall“ souverän reagieren zu können. Damit wird einem leistungshemmenden Überraschungseffekt entgegengewirkt.
Die Referentin betont jedoch, dass man die Erfolge sportpsychologischen Trainings nur bedingt an Prüfungsergebnissen messen kann. Hierzu dient das Ziel, wie zum Beispiel „Ich bin jederzeit vollkommen konzentriert“, welches sich der Reiter setzt und auf dessen Erreichen hingearbeitet wird. Stimmen alle Komponenten und die Rahmenbedingungen, kann aus der optimalen Leistung der Sieg resultieren. „Natürlich darf man gewinnen wollen, aber wer nur den Pokal vor Augen hat, verliert den Weg dahin aus dem Sinn. Der Fokus muss auf dem nächsten Hindernis beziehungsweise der folgenden Lektion liegen, bevor man an eine bestmögliche Platzierung oder die goldene Schleife denkt. Wer die folgenden Punkte umsetzten kann, ist auf einem sehr guten Weg: Selbstvertrauen, Konzentration, Lockerheit und Spaß. Im besten Fall ergibt sich daraus der Gewinner“, in jedem Fall jedoch ein Reiter, der sagen kann, dass er sein Bestes gegeben hat und mit seiner Leistung zufrieden ist.
Der LPBB plant die dauerhafte Integration einer sportpsychologischen Beratung in die Nachwuchsförderung, um den Berlin-Brandenburger Jugendkadern eine ganzheitliche sportliche Förderung und Entwicklung zu ermöglichen. Das Seminar am 2. Juni war hierfür ein Einstieg. Neu ist die Thematik nicht. Bereits beim Kadertreffen im Januar 2013 referierte Anne Oppen vor Kadern, Eltern und Trainern zur Bedeutung vom „Training im Kopf“ als modernes Trainingsinstrument.
Die ersten Jugendkader sind bereits mit auf den Zug aufgesprungen. Neben der D-Kader Springreiterin Sammy Przestacki, setzt auch Pony-Dressur-Kaderreiterin Lea Nehls auf eine ganzheitliche Turniervorbereitung und äußert sich positiv. Besonders die unmittelbare Wirkung der Methoden hat Lea überrascht. Hier berichtet sie im Interview über ihre Erfahrungen:
Bolte: Der Preis der Besten 2014 – welche Gefühle verbindest Du im Nachhinein mit diesem Turnier?
Nehls: Ich war davor ziemlich aufgeregt, habe mich aber sehr gefreut, beim Preis der Besten teilnehmen zu dürfen. Natürlich wollte ich nicht Letzte werden oder große Fehler machen, weshalb ich vor meinen Prüfungen etwas angespannt war. Im Nachhinein hat es sehr viel Spaß gemacht und auch mit den anderen Teilnehmer meiner Prüfung habe ich mich gut verstanden.
Bolte: Gutes Reiten verlangt nach einem klaren Kopf und viel Übersicht. Wie schaffst Du es, trotz Gefühls-Chaos, Dich bei wichtigen Turnieren auf den Punkt zu konzentrieren?
Nehls: Ich versuche meistens mich kurz vor der Prüfung von nichts anderem mehr ablenken zu lassen und nochmal an alles zu denken was auf dem Abreiteplatz besprochen wurde. Manchmal gelingt mir dies aber nicht und ich lass mich zu viel von den Ergebnissen der anderen Teilnehmer ablenken oder konzentriere mich nicht richtig. Meistens versuche ich es aber sobald ich auf dem Abreiteplatz bin, mich nur noch auf mich und mein Pony zu konzentrieren.
Bolte: Als wie wichtig bewertest Du eine mentale Vorbereitung für die Bewältigung Deiner sportlichen Aufgaben?
Nehls: Mittlerweile finde ich die mentale Vorbereitung vor Turnieren sehr wichtig. Mithilfe dieses Trainings lassen sich viele Fehler, die sich beim Reiter einschleichen viel besser korrigieren und auch langfristig abstellen. Vor allem Probleme wie Stress oder Nervosität vor der Prüfung können mithilfe von Atemübungen verbessert werden. Früher hab ich mentales Training als nicht so wichtigen Punkt bei der Turniervorbereitung angesehen, doch heute glaube ich ist es für jedermann sehr sinnvoll.
Bolte: Welche Erfahrung hast Du bisher mit „Mentalem Training“ gemacht? Und wie bewertest Du diese Erfahrungen?
Nehls: Bis vor kurzem hatte ich nur wenig Erfahrung mit mentalem Training, doch kurz vor dem Preis der Besten habe ich mich mit Anne Oppen getroffen und sie hat mir sehr geholfen. Mit vielen kleinen Tricks für eine bessere Konzentration und für mehr Gelassenheit konnte ich danach dem Preis der Besten viel entspannter entgegensehen. Ich fühlte mich besser vorbereitet und war zuversichtlicher in Warendorf gut abzuschneiden. Ich konnte mich beim Turnier schließlich viel besser konzentrieren und hab mich nicht mehr von anderen ablenken lassen. Auch in Zukunft werde ich diese Tipps weiter anwenden da sie mir persönlich sehr viel bringen und sehr effektiv sind.
Lea ist auf der Longlist für die EM und nominiert für die zweite EM Sichtung in Wiesbaden. Eine neue sportliche Herausforderung für sie und ihren Ponyhengst DSP De Long. Wir wünschen beiden starke Nerven und viel Erfolg.
Text+Fotos: Lisa Bolte, Anne Oppen, LPBB
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S.Przestacki,A.Oppen,L.Nehls(v.l.) L.Nehls mit DSP De Long