LPO 2024: Das wird neu ab 1. Januar
In weniger als drei Monaten tritt die neue Leistungsprüfungsordnung (LPO) in Kraft. In über zweijähriger Arbeit hat die Abteilung Turniersport der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) zusammen mit Vertretern der Landespferdesportverbände und der Deutschen Richtervereinigung, den Disziplin-Ausschüssen des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR) sowie weiteren Experten das Regelwerk auf Herz und Nieren überprüft, korrigiert und angepasst. Und das sind die wichtigsten Neuerungen.
Mit der neuen LPO 2024 wird es eine klare Trennlinie zwischen der LPO und der Wettbewerbsordnung (WBO) geben, der Einsteigerbereich - Klasse E - ist dann ausschließlich in der LPO geregelt (Ausnahme Fahren). Außerdem gehören „offene“ und „geschlossene“ Prüfungen der Vergangenheit an. Ab 2024 wird das Kind beim Namen genannt: Prüfungen, die sich ausschließlich an Amateurreiterinnen und -reiter wenden (ehemals Option A), heißen dann Amateur-Prüfungen. Diese sollen weiterhin einen Anteil von mindestens 20 Prozent an den Gesamtprüfungen eines Turnieres ausmachen. Amateure dürfen sich zukünftig auch in der Klasse S*** probieren: Nicht der Start in dieser Klasse führt zur Aberkennung des Amateurstatus im Folgejahr. Wenn man mehr als eine Platzierung vorweisen kann, platziert ist, gilt nicht mehr als Amateur.
Unter den Aspekt Tierwohl fällt die nähere Definition der Pferdekontrollen, aber auch des unsportlichen Verhaltens, das zwar seit vielen Jahren in den Regelwerken verankert ist, aber in der neuen LPO genauer beschrieben wird: Als unsportliches Verhalten ist insbesondere die unangemessene, grobe und/oder aggressive Einwirkung eines Reiters oder einer Reiterin auf ein Pferd zu sehen, zum Beispiel beim Einsatz von Ausrüstungsgegenständen oder Hilfsmitteln wie Gerte, Sporen oder Zügel, insbesondere auch bei Abwehrverhalten beziehungsweise nach Ungehorsam des Pferdes. Dies gilt entsprechend auch im Fahren und Voltigieren für den Einsatz von Peitschen, Longen oder Leinen. Bleibt ein Pferd im Springen vor einem Hindernis stehen oder läuft vorbei, spricht die LPO ab 2024 von Unterbrechung, Stehenbleiben oder Ausweichen. Die Begriffe Ungehorsam, Verweigerung oder Widersetzlichkeit wurden dagegen gestrichen, da die Ursachen hierfür nicht nur auf das Pferd zurückzuführen sind. Im Springen führt ab 2024 bereits die zweite Unterbrechung im Verlauf eines Parcours zum Ausschluss. Im Einvernehmen mit den Richtern und dem Veranstalter kann der Reiter jedoch in aller Ruhe eine Korrekturrunde außerhalb der Wertung vornehmen, um das Turnier mit einem positiven Gefühl abzuschließen und Sicherheit und Vertrauen wiederherzustellen. Korrekturrunden, also die Wiederholung einzelner Sprünge, des gesamten Parcours oder von Parcoursteilen, sind aber auch unabhängig von einem Ausschluss möglich sowie auch in den anderen Disziplinen.
Mehr Tierwohl hat auch die Neuregelung im Sinn, die tragenden Stuten nach dem vierten Trächtigkeitsmonat oder mit Fohlen bei Fuß die Teilnahme am Turnier untersagt. Explizit verboten wird auch der Einsatz von sogenanntem „Fakeschaum“, der eine gute Kautätigkeit des Pferdemaules vorspiegeln soll, ebenso von Sporen mit Zacken im Springen. Generell dürfen Sporen im Springen künftig nicht mehr als vier Zentimeter lang sein.
Die LPO 2024 schränkt außerdem den Einsatz von jungen Pferden auf Turnieren weiter ein. Dreijährige Pferde dürfen weiterhin frühestens ab 1. Mai auf Turnieren vorgestellt werden, jedoch während des gesamten Jahres an maximal fünf Turnieren teilnehmen. Dressurpferdeprüfungen der Klasse L sind für vierjährige Pferde nicht mehr zugelassen. Hier dürfen ab 2024 nur noch fünf- bis siebenjährige Pferde teilnehmen. Letztere allerdings nur sofern sie nicht mehr als einen Erfolg zu verzeichnen hatten. Bei Spring- und Geländepferden wurden diese Einschränkungen bezüglich Vorerfolgen gestrichen. Vierjährige Spring- und Geländepferde dürfen zudem zukünftig erst ab 1. März in der Klasse A starten und ein Start in Springpferdeprüfungen in der Klasse L ist für Vierjährige erst ab dem 1. Juli zugelassen.
Neuerungen gibt es auch beim Thema Siegerehrung. Wie aus einer Umfrage Ende 2021 in Zusammenarbeit mit dem HorseFuturePanel hervorging, ist die Teilnahme daran eine Ehre und den Turnierreitern sehr wichtig. Die Teilnahme bleibt daher für die ersten sechs Platzierten weiterhin Pflicht. Wie bisher können Veranstalter jedoch den Ablauf der Siegerehrung selbst bestimmen. Neu ist, dass der Veranstalter den Ablauf der Siegerehrungen auch während des laufenden Turniers ändern kann. Je nach Wetterlage kann beispielsweise kurzfristig entschieden werden, ob sie mit oder ohne Pferd stattfinden soll. Soll ein einzelnes Pferd aus sicherheitsrelevanten Gründen nicht an der Siegerehrung teilnehmen, muss der Teilnehmer bei der zuständigen Richtergruppe dafür einen Dispens einholen, andernfalls droht auch künftig die Aberkennung der Platzierung.
Springen: Nachbarländer als Vorbild
Unter der Überschrift „mehr Flexibilität“ stehen die meisten Neuerungen im Springen. Mit Blick auf die beliebten Turnierveranstaltungen in den Niederlanden und Österreich sollen auch in Deutschland künftig die bereits beschriebenen Korrekturrunden, aber auch das Starten außer Konkurrenz leichter und unkomplizierter möglich sein. Starts außer Konkurrenz sind dann grundsätzlich für alle Reiter mit aktueller Jahresturnierlizenz möglich. Ob und in welchem Umfang solche Starts und Korrekturrunden durchgeführt werden können und wieviel sie kosten, entscheidet die Meldestelle im Auftrag des Veranstalters – eine Vorabnennung ist nicht mehr erforderlich.
Um noch weniger erfahrenen Reitern und Pferden den Einstieg in den Sport oder die Akklimatisierung auf dem Prüfungsplatz zu erleichtern, ist die geführte Parcoursbegehung durch den Parcourschef oder einen erfahrenen Reiter oder Trainer. Sie kann auch für Geländeprüfungen angeboten werden. Eine weitere Hilfestellung für den Turniereinstieg junger Pferde bietet die eine Gewöhnungsspringprüfung für vier- bis sechsjährige Pferde. Sie bietet Reitern aller Leistungsklassen die Chance, ihre Nachwuchspferde über Hindernisse geringer Abmessung (80 cm, keine Kombinationen) an die Turnieratmosphäre zu gewöhnen. Die Bewertung nach dem „Clear-Round-Modus“ trägt dazu bei, den Druck gering zu halten: Jedes Pferd, das die Aufgabe fehlerfrei gemeistert hat, landet automatisch auf Platz eins. Die Teilnahme an der Gewöhungsspringprüfung ist für vierjährige Pferde ab Anfang des Jahres möglich.
Dieser Clear-Round-Modus gilt natürlich auch für spezielle Clear-Round-Springen, die von Klasse E bis M* in die LPO aufgenommen wurden. Ein alternatives Bewertungsverfahren kann für die Springpferdeprüfungen gewählt werden. Hier gibt es zunächst Wertnoten für alle fehlerfreien Ritte, nach denen das beste Viertel rangiert wird. Auf dem nächsten Platz dahinter landen gleichzeitig alle Pferde, nach Strafpunkten rangiert. Dies können Pferde sein, die den Parcours zwar fehlerfrei absolviert haben, jedoch stilistisch nicht gut genug für das beste Viertel waren oder Pferde mit Zeit- bzw. Hindernisfehlern. Ebenfalls neu ist die Springprüfung analog Springpferdeprüfung, eine Springprüfung für ältere Pferde ab sieben Jahren, die jedoch wie eine Springpferdeprüfung gewertet wird.
Die LPO 2024 wurde aber auch entschlackt. So sind selten ausgeschriebene Spezialspringprüfungen wie die Jagd um Punkte, das Zwei-Pferde-Springen oder das Mächtigkeitsspringen in der überarbeiteten Fassung nicht mehr zu finden.
Und noch eine Neuerung gibt es in der LPO 2024, die viele Reiter und Reiterinnen freuen wird: In der Bezeichnung der Springen wird – wie im internationalen Sport – die Höhe in Zentimetern angegeben. Damit wird den Teilnehmern noch deutlicher, was sie erwartet: ein A*-Springen mit einer Hindernishöhe von 90 oder 95 Zentimetern oder ein M*-Springen mit 120 oder 125 Zentimeter hohen Sprüngen. Die Höhenstufen werden dabei in Fünferschritten angegeben. Abweichungen von der Höhe sind bis zu plus/minus drei Zentimeter zulässig. Insgesamt müssen im Parcours 75 Prozent aller Sprünge die erforderlichen Maße hinsichtlich Höhe und Weite der entsprechenden Klasse aufweisen.
Dressur: Dressurreiter- und Dressurpferdeprüfung Klasse S kommt
Neu in der LPO 2024 ist eine Dressurreiterprüfung Klasse S, die immer auf Kandare auszuschreiben ist, da hierbei unter anderem auch die Kandarenreife eines Reiters überprüft werden soll. Ferner vorgesehen ist ein Dressurpferdeprüfung der Klasse S. Ob diese auf Kandare oder auf Trense geritten wird, ist der jeweiligen Ausschreibung zu entnehmen. Dies gilt ab 2024 übrigens für alle Dressuren an Klasse L bis einschließlich Klasse S*.
Neu in der Dressur ist außerdem das gemischte Richtverfahren. Dieses wird bereits erfolgreich bei den Children-Dressuraufgaben der FEI angewandt und ist ab 2024 auch für Dressurreiterprüfungen Klasse L, M und S zugelassen sowie für eine neue Prüfung, die Dressurpferdeprüfung Klasse S. Hierbei vergibt ein Richter (bei C) „technische Noten“ für die Einzellektionen, ein weiterer Richter oder eine Richtergruppe beurteilt die Prüfung wie eine Dressurreiterprüfung mit einer Gesamtnote am Ende, die dann in Prozente umgerechnet wird. Die Prozentpunkte des Richters bei C und der Richtergruppe/ des Richters werden addiert und durch zwei geteilt.
Vielseitigkeit: Die „GVL“ ist Geschichte
Mit der LPO 2024 gibt es die „Große Vielseitigkeitsprüfung“ auch im nationalen Regelwerk nicht mehr. Mit dem Beschluss der FEI im Jahr 2002, ab 2004 Vielseitigkeits-Championate nur noch als „Kurzprüfungen“, also ohne Rennbahn und Wegestrecken, auszurichten, verschwand diese traditionelle Prüfungsform nahezu schlagartig aus dem Terminkalender und wurde auch national in Deutschland nicht mehr angeboten. Dass sie nun auch keinen Platz mehr in der künftigen LPO findet, war eigentlich reine Formsache.
Neu in der LPO 2024 ist dagegen die Unterscheidung in L*- und L**-Vielseitigkeitsprüfungen beziehungsweise Geländeprüfungen und Geländepferdeprüfungen sowie die Geländepferdeprüfung Klasse E. Analog zum Springen soll sie Reitern aller Leistungsklassen die Gelegenheit geben, ihre vier- bis sechsjährigen Youngster an die Aufgaben im Gelände heranzuführen. Der erfahrenere Buschnachwuchs darf zukünftig auch mit mehrfachen Erfolgen aus dem Vorjahr weiter in Geländepferdeprüfungen an den Start gehen, da das entsprechende Handicap der Vorerfolge wegfällt.
Im Abschnitt Vielseitigkeit der LPO werden auch einige Anpassungen an das internationale Reglement vorgenommen. So wird ab Klasse L der Koeffizient bei der Umrechnung des Dressurergebnisses in Minuspunkte abgeschafft. Zur Errechnung der Strafpunkte werden die erreichten Prozentpunkte von 100 abgezogen und auf eine Dezimalstelle gerundet. In den Klassen E und A wird weiterhin mit 1,5 multipliziert, um den höheren Stellenwert der Dressur als Grundlage der Ausbildung zu erhalten. In der Teilprüfung Springen gibt es ab 2024 nur noch 0,4 statt 1 Strafpunkt pro angefangene Sekunde für das Überschreiten der erlaubten Zeit.
Fahren: Die Two-in-One-Prüfung kommt
Zwei-in-Eins heißt die neue Prüfungsform im Fahren, die ab 2024 eine Dressur- mit einer Kegelfahrprüfung kombiniert. Das Gespann absolviert dabei zunächst eine Dressur und durchfährt direkt im Anschluss einen Kegelparcours, der im Regelwerk bisher „Hindernisparcours“ hieß. „Two in One“-Prüfungen können in den Klassen A und M ausgeschrieben werden. Der Unterschied besteht darin, dass der Kegelparcours auf dem Dressurviereck steht und die Dressur um den Kegelparcours herumgefahren wird. Der Teilnehmer erhält zwei Ergebnisse, wobei das Ganze jedoch als nur ein Start gilt, weil das Gespann nur einmal vorbereitet wird. Dies hat den Vorteil, dass eine Two-in-One-Prüfung als Kombination mit einer Geländeprüfung an einem Tag absolviert werden kann. Die Klasse E kann im Fahren ab 2024 nur noch als WBO-Wettbewerb ausgeschrieben werden.
Weitere Neuerungen sind, dass die Peitsche nicht mehr verpflichtend mitzuführen ist, bei Kegelfahr-LP immer ein Helm getragen werden muss und dass der Wagen, der in der Dressur- und in der Kegelfahr-LP genutzt wird, nicht mehr derselbe sein muss.
Voltigieren: Links und rechts herum
Etliche Neuerungen erwarten die Voltigierer ab 2024, unter anderem die offizielle Einführung der Altersklasse Junge Voltigierer (U21). Darüber hinaus steht es dann allen offen, ihr Pferd nicht nur traditionell links herum, sondern auch auf der rechten Hand zu longieren. Dabei ist auch möglich, dass zwischen Pflicht und Kür ein Handwechsel erfolgt.
Neu sind auch ein 90 Sekunden-Countdown nach der Startfreigabe sowie eine Neuregelung für das Auslaufen des Pferdes. Dieses muss nach dem letzten Abgang nicht mehr Aufstellung in der Zirkelmitte nehmen. Stattdessen kann der Longenführer nach einem geregelten Übergang des Pferdes zum Halten vom Standort des Pferdes aus kurz und formlos mit Blickrichtung zum Richter A grüßen. Das Pferd wird dann direkt im Schritt über den Ausgang aus dem Wettkampfzirkel geführt, wahlweise mit bereits ausgeschnallten oder noch eingeschnallten Ausbindern. Der Schlussgruß der Voltigierer kann währenddessen oder danach aus der Zirkelmitte erfolgen.
Mit Blick auf das Pferdewohl wurde für das Voltigieren außerdem die Zahl der Starts pro Tag verkürzt, insgesamt darf ein Pferd maximal viermal pro Tag in den Zirkel einlaufen, und die Beschreibung der Pferdenote wurde konkretisiert (siehe auch Aufgabenheft 2024). Beispielsweise führt eine Pferdenote von weniger als 4,0 dazu, dass das Ergebnis als nicht platzierungswürdig gilt. Als vertrauensbildende Maßnahme erlaubt die LPO ab 2024 darüber hinaus die Anwesenheit eines „Friendly Horse“ am Zirkelrand, so dass ein Pferd nicht alleine in der Wettkampfhalle sein muss. Diese Regelung hat sich im Para-Dressursport bereits gut bewährt.
Die neue LPO gibt es ab voraussichtlich ab November 2023 in digitaler Form unter www.fn-regelwerke.de oder in gedruckter Form, zu beziehen im FNverlag der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). Sie tritt ab 1. Januar 2024 in Kraft.
Text+Foto: fn.press/Hb